SPD-Sonderparteitag in Berlin:Gabriel warnt vor anti-europäischen Kräften

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"Europa neu denken": SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel beim SPD-Sonderparteitag in Berlin (Foto: dpa)

Gegen "dumme Parolen" von links und rechts und die "Feinde Europas" wendet sich SPD-Chef Sigmar Gabriel beim außerordentlichen Parteitag - und stimmt so die Genossen auf die Europawahl ein. Die Delegierten wählen Yasmin Fahimi zur neuen Generalsekretärin - mit einem beachtlichen Ergebnis.

Auf dem außerordentlichen Bundesparteitag der SPD in Berlin ist Yasmin Fahimi zur neuen Generalsekretärin gewählt worden. Mit 88,5 Prozent Stimmen erzielte die 46-Jährige, die aus dem Vorstand der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie kommt, ein überzeugendes Ergebnis - mit dem sie die Voten übertrifft, die ihre Vorgängerin Andrea Nahles in der Vergangenheit einfuhr. Fahimi löst Nahles ab, die in der großen Koalition dem Arbeitministerium vorsteht und deswegen den Posten der Generalsekretärin aufgibt.

Fahimi, bisher kaum in der Öffentlichkeit aufgetreten, betonte, sie werde ungern danach beurteilt, was ihr in die Wiege gelegt worden sei, sondern "lieber danach, was ich gemacht habe und wofür ich eintrete".Damit spielte sie auf den im Vorfeld ihr zugeschriebenen "Frauen-, Migranten- und Niedersachsen-Bonus" an. Sie habe "über den Kopf in die Politik und über das Herz in die SPD gefunden" und wolle sich als Generalsekretärin nun dafür einsetzen, die SPD nach innen stark zu machen, sie nach außen als moderne Volkspartei zu repräsentieren und das Vertrauen von Mitgliedern und Wählern zu rechtfertigen. "Nah am Menschen und aufgeschlossen" müsse die Regierung sein.

Der Kieler SPD-Landeschef Ralf Stegner wurde mit einem eher bescheidenen Votum von 78,3 Prozent Ja-Stimmen neuer und damit sechster stelltvertretender Parteivorsitzender. Ein Trostpflaster, denn Stegner wäre selbst gern Generalsekretär geworden, hatte aber gegenüber Fahimi des Geschlechterproporzes wegen das Nachsehen. Zum neuen Schatzmeister soll der Bundestagsabgeordnete Dietmar Nietan gewählt werden.

Gabriel warnt vor "Freunden Europas"

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz führt die SPD im Europawahlkampf. (Foto: dpa)

Zuvor hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel mit scharfer Kritik an antieuropäischen Tendenzen von Links und Rechts seine Partei auf die Europawahl am 25. Mai dieses Jahres eingeschworen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise habe "zu viele Antieuropäer auf den Plan gerufen", die mit ihrer Propaganda das Projekt Europa aufs Spiel setzten. "Wir werden den Gegnern Europas entschieden entgegentreten", forderte Gabriel in einer kämpferischen Rede auf dem außerordentlichen Bundesparteitag der SPD in Berlin.

Der eurokritischen Partei AfD und der Linkspartei warf Gabriel vor, "Feinde Europas" zu sein. "Ob es nun neunmalkluge Professoren, ehemalige Verbandslobbyisten oder Linksradikale sind: Wir verteidigen Europa gegen sie", sagte Gabriel. Der SPD-Chef berief sich auf ein Zitat der Links-Politikerin Sahra Wagenknecht, wonach die Europäische Union (EU) ein Hebel zur Zerstörung der Demokratie sei. Der AfD habe Wagenknecht zudem attestiert, dass sie sich geschickt verhalten und nur das Programm der Linkspartei kopiert habe. "Da verbünden sich die rechten und die linken Feinde Europas. Beiden treten wir entgegen", rief Gabriel.

Wenn man in die Zukunft Europas investiere, investiere man immer auch in die eigene Zukunft, betonte Gabriel. Es gelte daher, den "dummen Parolen vom Zahlmeister Deutschland" entgegenzutreten. Er wünsche sich, dass die Sozialdemokraten das Thema Europa nicht ängstlich, sondern offensiv angingen.

Dem SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Martin Schulz, versprach Gabriel einen Wahlkampf, wie es ihn noch nie gegeben habe. Mit Schulz als Spitzenkandidaten für alle sozialdemokratischen Parteien habe man die "historische Chance" nach mehr als 50 Jahren wieder einen deutschen EU-Kommissionspräsidenten zu bekommen, betonte Gabriel. Darauf sei man "ungeheuer stolz". Selbst bei den Konservativen wären einige froh, "wenn du Kommissionspräsident werden würdest", sagte Gabriel an Schulz gerichtet. Das Ziel müsse es jetzt sein, die stetig abnehmende Wahlbeteiligung bei Europawahlen wieder zu steigern.

Schulterklopfen, Glückwunsche und einen Korb roter Äpfel hatte es zuvor für Martin Schulz gegeben: Auf der Europadelegiertenkonferenz der SPD war der Präsident des Europäischen Parlaments am Mittag zum Spitzenkandidaten für die Europawahl am 25. Mai bestimmt worden - mit großer Mehrheit: Schulz wurde mit 97,3 Prozent Zustimmung auf Platz eins der Kandidatenliste gewählt. Es gab 183 Ja-Stimmen und fünf Gegenstimmen.

"Das ist ein Vertrauensbeweis, den ich als Verantwortung empfinde", sagte Schulz. "Wir brauchen ein besseres Europa als das, was wir heute haben." Er will bei der Bewältigung von Schuldenkrise und Jugendarbeitslosigkeit mehr sozialdemokratische Akzente in Europa setzen. Am 1. März soll der 58-Jährige bei einem Kongress in Rom zum ersten gemeinsamen Spitzenkandidaten aller sozialdemokratischen Parteien Europas gewählt werden. Gelingt den Sozialdemokraten bei der Europawahl ein Erfolg, könnte Schulz der nächste EU-Kommissionspräsident und damit Nachfolger von José Matuel Barroso werden.

Aussichtsreiche Plätze für ostdeutsche Kandidaten

Mit großer Einmütigkeit wurden auch die übrigen 95 Kandidaten für die Europawahl bestimmt. Hinter Schulz wird die Liste nach einem Beschluss des SPD-Parteitags am Sonntag in Berlin angeführt von Birgit Sippel (Nordrhein-Westfalen) und Udo Bullmann (Hessen). Bestplatzierte Ostdeutsche soll auf Platz zehn die Berliner SPD-Politikerin Sylvia-Yvonne Kaufmann werden. Sie war 2009 von der Linkspartei zur SPD gewechselt. Derzeit stellt die SPD im Europaparlament 23 Abgeordnete.

Bis zu Platz 25 bis 27 gelten die Chancen als gut, bei der Wahl am 25. Mai in das Europaparlament einzuziehen. Nach einem Vorschlag von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel wurde auch je ein Vertreter aus allen Bundesländern und damit auch aus den ostdeutschen Landesverbänden auf aussichtsreiche Plätze gewählt - sie hatten sich zunächst über eine Benachteiligung beschwert. Auf Platz zehn kandidiert nun die 2009 - nach Kritik an der Linken-Europapolitik - von der Linken zur SPD gewechselte Berliner Politikerin Sylvia-Yvonne Kaufmann. Ziele der SPD sind unter anderem schärfere Regeln für Banken in Europa sowie der Kampf gegen Steuerbetrug und die hohe Jugendarbeitslosigkeit.

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